20. November 2010

Mali


Fatima oder der tausendundletzte Versuch

Dort die Szene auf Sandras Terrasse. Einige Bäume bringen sie mir in Erinnerung. Baobabs, vereinzelt oder in Grüppchen, ein ganzer Wald. Diese knochigen, verästelten Holzkolosse begleiten uns auf unserer Reise durch den Westen Malis. Ausdrucksstark ihre Erscheinung, jeder Baum einzigartig, fast menschlich in Bewegung erstart, ein Freilufttheater dessen hölzerne Akteure nur pausieren. Da drüben, eindeutig das muss Fatima sein! Rückblende.


Vor vier Wochen sind wir in Bamako angekommen. Diese Stadt reizt alle Sinne. Ihre Lage im Tal des Niger, der die Stadt teilt, bringt eine allgegenwärtige Hitze mit sich. Das pulsierende, farbenreiche Treiben auf den Märkten ihrer geschichtsträchtigen Altstadt vermag dieses Klima allerdings nicht zu bremsen. Jeder Winkel hält seinen eigenen nicht immer angenehmen Duft bereit, akustisch wird sie vom Soundtrack der reichen Musik Malis begleitet, untermalt vom Lärm des Straßenverkehrs. Wir wohnen bei Sandra und ihrem goldigen Töchterchen Soie in ihrem kleinen Häuschen ganz in der Nähe des Niger. Sandra ist Grafikerin und stammt aus Frankreich, in sieben Jahren ist Bamako zu ihrer zweiten Heimat geworden.






In der ersten Woche wohnen wir in einer luxuriösen Villa des roten Kreuz Monacos

Wir haben Urlaub vom Urlaub

Sandra und ihre Tochter Soei

Der Anlass unseres längeren Aufenthaltes ein Handel, ein Auto das Objekt, unser Auto. Wir ziehen aus, wollen unser rollendes Zuhause der letzten Monate kündigen und es nicht zurück mit in die Heimat nehmen. Der technische Zustand unseres Minibusses würde dies wohl zulassen, zugegebenermaßen mittlerweile zu afrikanisiert für die Normen des deutschen Tüvs. Nein, der eigentliche Grund liegt bei uns, wir sind des Selbstfahrens mit dem Auto müde und wollen in dieser Hinsicht Veränderung. Auch denken wir an Flitzers Zukunft. In Deutschland wäre ihm unter gelackten Newcomern ein kurzes Dasein zweiter Klasse beschieden, wohingegen er hier ein Star wäre. Ihm stünde sicher eine lange, transportintensive Kariere bevor.

Seit mehreren Wochen sind wir auf der Suche nach einem geneigten Käufer für unser Auto. Wir haben Zettel in der Stadt verteilt, Autohändler abgeklappert, Sandras Mailliste bemüht.... In der Stadt werden wir regelmäßig von vermeintlichen Kaufinteressenten angesprochen. Wundersamerweise gibt es keine Reaktion, unser Telefon bleibt stumm.

nicht unser Minibus

eine unserer Verkaufsanzeigen

Den Grund erfahren wir als uns ein Taxi durch die Stadt verfolgt. Ein wild gestikulierender Fahrgast bedeutet uns anzuhalten. Er möchte unser Auto kaufen und beschwert sich, dass er uns nicht unter der von uns angegebenen Telefonnummer erreichen kann. Dies demonstriert er uns sofort. Eine genervte Frau ist am Apparat. Sie spricht weder Französisch noch möchte sie ein Auto verkaufen. Wie wir feststellen haben wir bisher allen Kaufinteressenten eine falsche Telefonnummer gegeben. Nicht allein unser Fehler, denn die auf der Verpackung unserer neu erworbenen Simkarte angegebene Nummer ist die der ruhelosen Frau.

Konzert in einem kleinen Kulturverein

Nachdem wir mit unserer tatsächlichen Telefonnummer auf Käufersuche gehen, kommt es zu vielen Verabredungen und genauso viele werden von den Kaufinteressierten abgesagt, wieder und wieder verschoben oder haben sich anderweitig verflüchtigt. Dazu muss bemerkt werden, dass unsere Bedingungen für den Verkauf etwas speziell sind und das Ganze sehr verkomplizieren. Wir sind aufgrund eines internationalen Zolldokumentes welches wir für unsere Reise entlang der Ostküste und durchs südliche Afrika benötigten darauf angewiesen, dass sämtliche Zollformalitäten offiziell erledigt werden. Anderenfalls ginge uns eine Summe von gut dem Doppelten des Fahrzeugwertes verloren die wir als Sicherheit in Deutschland hinterlegen mussten. Für uns Grund genug peinlichst auf diesen bürokratischen Marathon zu bestehen und erst nach dessen Abschuss das Auto an den Käufer zu übergeben. Dies trifft verständlicherweise nicht auf Gegenliebe und wenig Verständnis. Hier wird Geld gegen Ware getauscht womit ein Handel als abgeschlossen betrachtet wird und jeder seiner Wege geht, weiterreichende Bedingungen werden sehr skeptisch aufgenommen. Auch haben viele der Käufer nicht das Geld, um den Zoll sofort zu bezahlen. Überdies ist diese, unsere Notwendigkeit hier nicht bekannt, da die Autos aus Europa normalerweise auf kürzerem Weg über Marokko hierher kommen und dieses Dokument dann nicht benötigt wird. So halten uns die meisten der Käufer für verschrobene deutsche Papierreiter die alles verkomplizieren und nicht wissen wie hier ein Auto anständig verkauft wird. Ich hoffe ihr habt um unser Bedürfnis verstanden, dies allerdings den malaiischen Kaufwilligen mit unseren wagen Französischkenntnissen begreiflich zu machen war ein nahezu aussichtsloses Unterfangen.

Doch dieses Mal wird uns von einem dynamischen Vermittler versichert: alles verstanden, alles kein Problem, die Käuferin hätte beste Kontakte zum Zoll und alles wäre schnell erledigt. Schon morgen Abend würden alle Papiere ausgefertigt sein. Welch ein Glücksfall denn normalerweise bedarf es für die Erledigung der Zollpapiere gut eines Monats. Bei unserem Besuch des Zollbüros wird offensichtlich warum. Unzählige Wartende die unter einem Vordach dösen. Es fällt schwer die hier Beschäftigten auszumachen denn auch diese dösen gelangweilt vor oder in ihren Büros zwischen wüsten Papierstapeln. Niemand scheint für eine bestimmte Aufgabe verantwortlich zu sein geschweige denn diese zu erledigen. Kleine Extragaben oder eben Beziehungen sind das Elixier welches ihnen gelegentlich Leben und Arbeitsamkeit einhaucht.

Fast ist es vollbracht, könnte man meinen. Dem vorgefahrenen Auto entsteigt etwas umständlich ein Paar in den besten Jahren. Aus ihrer gepflegten Erscheinung spricht Wohlstand. Die Stoffe ihrer Kleider sind von erlesener Qualität, eine gute Ernährung hat ihre üppige Wirkung nicht verfehlt. Beides tragen sie mit Würde und verhaltenem Stolz zur Schau. Wir dagegen etwas abgeschlagen von der Hitze des Tages an die wir uns auch nach Wochen nicht gewöhnen können, in staubiger vom monatelangen Reisen überstrapazierter Kleidung. Der schon vor einer Stunde, auf seinem chinesischen Nachbau eines KTM Motorrades aufgetauchte Vermittler stellt uns die Beiden vor.

Fatima ihr Name. Ich nehme es als gutes Omen. Der Name der Tochter des Propheten Mohamed. Die einzige die seine Familienlinie mit ihren Kindern fortsetzte „Mutter des Islam“. Hier in Bamako kommt mir auch Mungo Park in den Sinn. Dieser englische Entdeckungsreisende sprang hier das erste Mal übermütig in die Fluten des Niger, den er zu erforschen suchte. Auf seinem Weg von der Küste nach Bamako hatte er als Ungläubiger damals nicht viele Freunde, eine einflussreiche Frau Namens Fatima war ihm allerdings zugetan und breitete ihre schützende Hand über ihn, angeblich nicht ohne gewisse Gegenleistungen.

Nach ausgiebiger Begrüßung, wird uns ein eigens mitgebrachter Mechaniker vorgestellt. Er soll unseren Bus begutachten. Nach kurzem optischen check up und dem Abhören des Motors gibt er ohne eine Probefahrt sein positives Gutachten ab. Entweder hat er einen tiefer gehenden magischen Blick für Fahrzeugtechnik oder wahrscheinlicher, es ist nur der Zustand des Motors entscheidend. Alles Andere lässt sich immer irgendwie ersetzen oder improvisieren. Diesen Eindruck vermitteln zumindest viele der Fahrzeuge auf den Strassen Malis.

Wir bitten Fatima, ihren vermeintlichen Ehemann und den Vermittler auf Sandras Terrasse und bieten ihnen Kaffe an. Auch von dem Paar wird uns die schnelle Erledigung des Zolls versichert. Der Partner Fatimas gibt uns zu verstehen er würde beim Zoll arbeiten. Wir müssen uns also nur noch auf einen Preis einigen. Fatima nimmt nicht direkt an der Verhandlung teil, da sie nur wenig Französisch versteht.

Für die meisten Waren in Afrika gibt es keinen festen Preis. Der Wert der Ware ist das gut gehütete Geheimnis des Verkäufers. Es gibt viele Preise, Preise des Vormittags, des Nachmittags und solche für den Sonnenuntergang, es gibt Preise für Arme, Reiche und für die Fremden, jede Situation ergibt ihren ganz eigenen Preis. Der Reiz des Feilschens liegt darin diesem Geheimnis nahe zu kommen und sich im Zauber dieses alten Rituals respektvoll entschlossen diesem Rätsel zu nähern. Ein Austausch von Argumenten, der bei Sympathie zu einem interessanten Gesprächen führen kann. Skurriles nicht ausgeschlossen, neulich auf dem Obstmarkt fand ich mich inmitten dreier Händlerinnen wieder, deren Kleinkinder sich gleichzeitig zum Frühstück verabredet hatten. Kinder sind allgegenwärtig und die Frauen haben ihre Kleinsten immer mit sich, der Anblick stillender Frauen ist hier alltäglich. Dennoch fiel es mir schwer mich in diesem Ambiente auf die Qualität der zum Kauf angebotenen Früchte zu konzentrieren.

All unsere Erfahrungen haben wir als Käufer gesammelt, als diejenigen die das Geheimnis zu lüften suchen, nun als Verkäufer sind wir die Hüter. Eine völlig neue Herausforderung den verbalen Ansturm der Käufer und Vermittler auf unsere den Preis umgebene Festung abzuwehren. Einfallsreich versuchen Sie unseren Burggraben trocken zu legen und die Zugbrücke zu bezwingen, erkundigen sich danach wie viel Zeit wir haben, wie wir unsere Reise fortsetzen wollen, ob wir bereits einen Rückflug gebucht haben, welcher Religion wir angehören, wie lange wir schon in Afrika sind, wie viele Geschwister, Kinder, Ehefrauen wir haben, ob uns das Klima zusagt… Nach ausgiebigem Feilschen einigen wir uns auf einen für beide Seiten akzeptablen Preis und bekommen von Fatima, als Ausdruck ihres Kaufwillens, über ihren eleganten Partner eine saftige Anzahlung überreicht. Schon am Vormittag des nächsten Tages wollen Sie mit den fertigen Papieren vorbeikommen, den Rest des Kaufbetrages begleichen und unser Auto wäre verkauft. Klingt gut.

All unsere persönliche Habe ist noch in unserem rollenden Eigenheim. Wir brauchen zwei Stunden um es besenrein zu bekommen und verwandeln Sandras Vorhof zu einer wüsten Ansammlung von Utensilien. Beeindruckt vom Fassungsvermögen unseres Minibusses stehen unsere Gastgeber vor diesem bunten Durcheinander. Einiges bleibt rätselhaft. Wo kommt eigentlich dieses Paar Schuhe her? Dieses Buch ist auf keinen Fall von mir! Eine Sonnenbrille mit geschätzten fünf Dioptrien? Oder es kommt zu überraschenden Wiederentdeckungen, eine Angelausrüstung, Taucherbrillen, eine Flasche mocambiquanischer Rum. Eins ist klar alles können wir unmöglich mitnehmen. Wir verschenken vieles an Sandra, ihre Freunde oder Passanten. Eine tolle Abwechslung, ohne langes Verhandeln, verschenken ist so wunderbar unkompliziert.

Die Angelegenheit verkompliziert sich. Am nächsten Vormittag kommt nur der Vermittler vorbei und erklärt uns, dass Fatima uns eine viel höhere Summe als den abgemachten Kaufpreis bezahlen wird und ihm die Differenz als Vermittlungsgebühr zusteht. Ferner erklärt er uns, dass Fatima davon nichts erfahren darf. Wir finden das Ganze Fatima gegenüber ziemlich linkisch aber letztlich geht uns sein Verhalten ihr gegenüber nichts an und in Anbetracht unseres nun entleerten Busses erklären wir uns dazu bereit ihm nach Abschluss der Zollformalitäten die Differenz zu übergeben.

Fatima, ihr Partner und der Vermittler erscheinen am Nachmittag. Leider ohne die angekündigten Zollpapiere, zu ihrer Entschuldigung bemerken sie es wäre Samstag und das Zollamt sei geschlossen. Am Vortag noch hatten Sie behauptet dies wäre kein Problem. Also gut am Montag soll nun alles erledigt werden. Zur Bekräftigung ihres Versprechens überreicht uns Fatima ungefragt den Rest des Kaufbetrages. Wie ich finde ein akkurater Vertrauensvorschuss ihrerseits. Bisher haben wir ihr nur eine Kopie unseres Fahrzeugscheins überreicht. Ein Schlitzohr könnte sich nun einfach mit dem Geld aus dem Staube machen.

Am Sonntag erscheint der Vermittler mit einem wie sich herausstellt zweiten Vermittler. Sie verlangen von uns ihnen sofort die besagte Differenz zu übergeben. Wir verweigern dies mit dem Hinweis auf unsere Abmachung bezüglich der Zollpapiere. Dies ist anscheinend für sie nicht mehr verbindlich und sie verlangen zunehmend lautstärker die Differenz und zwar sofort. Als die Situation Gefahr läuft aus dem Ruder zu laufen bleibt uns nichts anderes übrig als sie vom Grundstück Sandras zu verweisen. Keine angenehme Episode, wir sind bei Sandra zu Gast und solche Leute möchte man nicht vor der eigenen Tür stehend wissen. Sie verschwinden nach geraumer Zeit. Es bleibt spannend.

Wir brauchen unbedingt etwas Ablenkung. In Bamako findet gerade ein Festival des modernen Tanzes statt. Die tänzerischen Darbietungen teils zu live gespielter Musik lassen uns den Autoverkauf für den Abend vergessen. Etwas undankbar für die Künstler und Veranstalter bleiben trotz freiem Eintritt viele der Veranstaltungen eher dürftig besucht. Viele Leute haben hier leider existenziellere Obliegenheiten als sich mit Kunst zu beschäftigen.

Am Montagmorgen stehen die beiden Vermittler wieder auf der Matte. Sie haben sich etwas beruhigt aber bleiben bei ihrer Forderung. Wir bleiben ebenfalls bei unseren Bedingungen. Dies wiederum zieht lange, nervenaufreibende Diskussionen nach sich. Glücklicherweise treffen wenig später Fatima und ihr Partner ein. Wir wollen zusammen zum Zollamt fahren und hoffen auf eine schnelle Erledigung der Dinge dort. Auf dem Zollamt stellt sich heraus, dass der Partner von Fatima dort nicht arbeitet und die erwähnten Beziehungen nur eine wünschenswerte Schöpfung von ihm sind. Auch ist er, wie er uns und ohne Wissen Fatimas glauben machen wollte, nicht der Ehemann Fatimas sondern nur ein weiterer Vermittler. Er hat anscheinend gehofft seine Vermittlungsgebühr vor Erledigung des Zolls von Fatima zu erhalten und hat sie im Dunkeln über die Höhe des zu zahlenden Zolls gelassen. Kein schöner Zug. Fatima ist über die beim Zoll zu entrichtende Summe sichtlich überrascht, woraufhin sie uns erklärt sie hätte momentan nicht genügend Geld den Zoll sofort zu bezahlen und schlägt vor uns die Zollpapiere später über Sandra zukommen zu lassen. Fatima ist zwar relativ vertrauenswürdig aber im Wissen um bisher drei Zwischenhändler und deren Gebaren möchten wir uns darauf nicht verlassen. Wir haben keinen weiteren Bedarf an Überraschungen, sind bedient von der Dreistigkeit der Zwischenhändler, insbesondere der etwas zu gutgläubigen Fatima gegenüber und wollen das Geschäft rückabwickeln.

Wenig später finden sich auf Sandras Terrasse Fatima und alle bisher bekannten Vermittler ein. Diese Zwischenhändler sehen ihre Felle davonschwimmen und versuchen uns nun ebenfalls davon zu überzeugen vorerst auf die Zollpapiere zu verzichten. Sie würden uns diese mit Sicherheit später zukommen lassen. Wie sich herausstellt gibt es noch drei weitere Zwischenhändler. Inzwischen sind es also sechs an der Zahl! Zu allem Überfluss sind sie sich auch untereinander nicht einig und wir finden uns inmitten eines hitzigen Streitgespräches wieder. Kann mich mal jemand kneifen, passiert dies alles wirklich gerade und vor allem auf der Terrasse Sandras. Sie nimmt das Geschehen gelassen, sportlich. Uns gegenüber jammern die Zwischenhändler darüber wie viel Zeit, Mühe, Benzin usw. sie schon in dieses Geschäft verwendet hätten. Viele Stimmen fließen durcheinander und das Temperament der Zwischenhändler lässt das Ganze eskalieren. Wir versuchen die Sache in ruhigeres Fahrwasser zu bringen, was uns mit Hilfe Sandras am Ende gelingt. Irgendwann gibt sich die Crew der Zwischenhändler geschlagen und zieht seiner Wege. Nun müssen wir nur noch Fatima das Geld zurückgeben und wir wären wieder glücklich bei Punkt Null.

Etwas von dem Geld das uns ja sicher schien haben wir bereits am Vorabend ausgegeben. Ich gehe zur Bank um diesen Fehlbetrag abzuheben. Es gibt Strom und der Begrüßungstext des Geldautomaten lächelt mich an. Ich vertraue ihm meine Kreditkarte und die dazugehörige Geheimzahl an, damit ist er irgendwie überfordert und quittiert seinen Dienst. Unpraktischerweise bevor er meine Kreditkarte wieder hergibt. Kann hier nicht einfach mal etwas reibungslos funktionieren, meine Ruhe droht mich zu verlassen. In der Bank treffe ich auf einen grinsenden Techniker der es in Null Komma nichts fertig bringt den Automaten wiederzubeleben. Kaum zu glauben, ich bekomme meine Karte wieder und obendrauf den gewünschte Geldsegen. Wir geben Fatima ihr Geld zurück und zum Abschied überreicht sie uns ihre Telefonnummer, fürs nächste Mal wie sie bemerkt. Inshalla.

Tabaski das Opferfest des Islam steht vor der Tür. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, viele Malaien reisen zu ihren Familien und bringen möglichst ein Opfertier mit. So sieht man auf den Bussen zwischen den Gepäckstücken des Öfteren Schafe sitzen. Auf einem Truck bringt es ein Schaf fertig bei voller Fahrt zu stehen und sich die vorbeiziehende Landschaft anzuschauen, bei soviel akrobatischem Talent wäre doch Gnade und eine Kariere im Zirkus angebracht. Auch wir haben die zweifelhafte Ehre zwei Opferschafe zu transportieren. Zwei Anhalter die wir ein Stück mitnehmen, wollen diese mit zu ihren Familien nehmen. Die Beiden sind sichtlich Stolz und erzählen uns, dass es eine Art Verpflichtung sei ein Opfertier mit nach Hause zu bringen, allerdings gerade zu Tabaski viele Leute knapp bei Kasse sind. Familie besuchen und Geschenk mitbringen, ganz so wie bei uns zu Weihnachten, nur ohne die Qual der Geschenkwahl. Vielleicht kann Tabaski rückblickend für die Zwischenhändler mit ihrer Ungeduld aufs Geld als kleine Entschuldigung gelten.


Ein Fest in Mali ohne einen Girot wäre nur ein Trauerball. Nicht auszudenken auf die durch ihn musikalisch vorgetragenen historischen Ereignisse, Legenden und Mythen verzichten zu müssen. Sie sind die traditionellen Historiker Malis. Bedarf man einer Auskunft zu einem Ort oder Clan wendet man sich an einen dieser wandelnden Geschichtsbücher und erhält musikalisch dargeboten Antwort. Die großen Taten des eignen Clans lässt man besonders gern besingen, nicht zuletzt, um sich darin vor Angehörigen eines anderen Clans zu sonnen. Da der Girot dafür oftmals direkte Entlohnung erhält, bleibt wohl eine gewisse Geschichtsverklärung nicht aus. Je edler und bedeutender die Begebenheiten desto höher auch die Zuwendung. Über die Familie Fatimas gibt es sicherlich ohnehin viel besingenswertes in der Historie und vielen Girots ist damit ein gutes Auskommen gewiss. So wird wohl diese soeben beschriebene Episode nicht in den Fundus der Girots eingehen, zumal nicht von Erfolg beschieden. Dennoch erklingen in meiner Phantasie die Saiten zu einem Lobgesang auf Fatimas geschäftlichen Scharfsinn und ihre Menschenkenntnis. Der Name Fatima bedeutet auch „Die von der Hölle Verschonte“. Viel Erfolg von mir liebe Fatima bei all deinen künftigen Unternehmungen!

PS: Wir sind einfach noch nicht reif fürs afrikanische Geschäftemachen, soviel haben wir gelernt. Unser Auto ist gewissermaßen unverkäuflich, vielleicht nicht ganz. Wir fahren nun nach Guinea Bissau und wollen unseren Minibus dort an einen deutschen Bekannten Hetais verkaufen.


Solarzellen werden in Mali steuerfrei verkauft, sind aber dennoch nur für Wenige erschwinglich










Grenzverkehr Mali-Senegal

15. Oktober 2010

Burkina Faso

Die Regenzeit ist vorüber und wir trauern ihr schon nach. Von einen Tag auf den anderen verschwanden die Wolken und machten der nun unerbärmlich strahlenden Sonne Platz. Wir hatten schon fast vergessen wie drückend, allgegenwärtig sich diese Hitze anfühlt, momentan stöhnen selbst die Einheimischen. Wir hoffen erwartungsvoll auf Aklimation.

rhythmische Zubereitung von Tho aus Maniok

Die Ruinen von Loropeni zählen als einzige Sehenswürdigkeit in Burkina Faso zum Weltkulturerbe der UNESCO. Man könnte meinen diese historische Attraktion des Landes würde viele Interessierte anlocken und es gäbe demzufolge eine touristische Infrastruktur. Nicht so hier, Loropeni ist ein verschlafenes Dorf mit einigen Geschäften entlang der Hauptstrasse und nur ein von den Zeiten gezeichnetes Schild am Straßenrand weist auf die im Dschungel liegenden Zeugnisse des transsaharischen Goldhandels hin. Allerdings gibt es ein kleines Wärterhäuschen am Rande des Weges, welcher in den Dschungel führt. Alex ein Mitarbeiter der staatlichen Tourismusbehörde begrüßt uns freudig und bietet an, uns durch die Ruinen zu führen. Dies nehmen wir gern an. Auf einem Gebiet von gut zehn Hektar stehen bis zu zehn Meter hohe imposante Steinmauern. Die mindestens 1000 Jahre alten Reste einer alten Festung, welche im Laufe der Zeiten anscheinend mehrfach verlassen wurde. Mittlerweile hat sich die Natur einen Großteil des Terrains zurückerobert. Wurzeln und Bäume wachsen quer durch die Mauern über diese hinaus und haben diese arg in Mitleidenschaft gezogen. Ins warme Licht der Abendsonne getaucht ergibt dies eine eindrucksvolle optische Symbiose. Da erst ein kleiner Teil ausgegraben wurde, liegen noch viele Geheimnisse dieses Ortes im Dunkeln.

Anders als in den afrikanischen Ländern die zuvor auf unserem Weg lagen, ist hier das Fahrrad Fortbewegungsmittel Nummer Eins und es sind nur wenige Autos auf den Straßen unterwegs. Auch für uns als Autofahrer sehr angenehm. Demzufolge gibt es an jeder zweiten Ecke ne Art Fahrradwerkstatt und Autowerkstätten sind eher eine Seltenheit. Nur braucht unser Bus dringend eine Generalüberholung. Beide hinteren Federn sind gebrochen, Tank, Kühler und Ölwanne sind undicht und die Betätigung von Lenkung und Bremsen bedarf einer gewissen Einfühlung und Erfahrung. Außerdem löst sich die Karosserie langsam in ihre Bestandteile auf und einige Schweißarbeiten sind dringend notwendig. Ne schöne Liste. Wir halten in einer Kleinstadt und machen uns zusammen mit Ali und seiner Schweißercrew an die Arbeit. Ersatzteile sind nicht zu bekommen und so wird ordentlich improvisiert und angepasst. Mit anderen Worten unser Bus wird afrikanisiert und kommt den anderen Vehikeln auf den Strassen ein Stück weit näher. Nach drei Tagen schwarzer Hände funktioniert alles wieder irgendwie und die geplanten Ausgaben haben sich verdoppelt. Dies ist hier allerdings eher normal. Flitzer erstrahlt stolz in neuem, innerem Glanze worauf uns Ali zum Abschied eine einjährige Garantie gibt, wohlwissentlich, dass wir weiter nach Mali fahren wollen und wohl so schnell dieselbe nicht in Anspruch nehmen werden.


Nachdem das erledigt ist leihen wir uns Fahrräder aus und erkunden die reizvolle Gegend landesgemäß. Es gibt einige Wasserfälle, pittoreske Sandsteinformationen und einen von Nilpferden bevölkerten See zu sehen. Den Dickhäutern ist die pralle Sonne allerdings zu heiß und sie lassen sich nicht blicken. Der Weg zu einem der Wasserfälle ist nicht einfach zu finden, unwegsam und wir müssen einige Bäche durchqueren. Am Wasserfall angekommen verdunkelt sich plötzlich der Himmel, es fängt an zu Stürmen und die Gegend wandelt sich zu einem einzigen Wasserfall. Wir genießen das Naturschauspiel bei einer Partie Schach im Schutze eines kleinen Unterstands. Als sich der Regen legt wird es nicht heller und wir bemerken, dass die Dämmerung eingesetzt hat. Wir machen uns schleunigst auf den Rückweg. Es dürfte problematisch werden bei Dunkelheit den richtigen Weg zu finden und diese kommt schnell. Zu allem Überfluss ist einer der trägen Bäche vom Hinweg zu einem sehr lebhaften Fluss angeschwollen. Mit einiger Mühe durchqueren wir diesen und finden unter glücklich, leitender Hilfe des Vollmondes irgendwie den Rückweg zu unseren Fahrrädern. Nur sind diese nicht mehr da. Wir mussten für die Besichtigung des Wasserfalls einen kleinen Obolus entrichten. Im Preis inbegriffen das Versprechen des Wärters auf unsere Fahrräder aufzupassen. Auch der Wärter ist verschwunden. Er hat wohl nicht mehr mit unserer nächtlichen Rückkehr gerechnet und Feierabend gemacht was völlig verständlich ist. Allerdings nimmt er sein Versprechen sehr ernst und auch in dieser völligen Einsamkeit geht Sicherheit für ihn vor, woraufhin er unsere Fahrräder in seinem Häuschen eingeschlossen hat. Dies erfahren wir durch einen Zettel mit seiner Telefonnummer und dem Hinweis wir sollten ihn anrufen. Nur haben wir zwar ein Schachspiel aber kein Telefon dabei. So liegt noch eine 15 Kilometer Nachtwanderung vor uns. Bei Mondschein unter Sternenhimmel eher reizvoll als ärgerlich. Nach einigen Kilometern kommen wir durch ein in nächtliche Ruhe versunkenes Dorf. Hinter einer Mauer flackert ein Lichtschein. Als wir auf den Hof kommen werden wir von einigen um ein Feuer sitzenden Frauen sogleich eingeladen, mit ihnen zu essen. Wir fragen nach einer Möglichkeit zu telefonieren und nach einigen Rufen kommt ein ziemlich verschlafen dreinschauender Mann mit einem Funktelefon aus einem der umliegenden Häuser. Wir wählen die Nummer nur ist unser Fahrradsicherheitsverwahrer nicht mehr zu erreichen. Der Mann möchte uns für einige France mit seinem Moped in die Stadt fahren, was unsere Wanderung etwas abkürzt. Die Fahrräder holen wir am nächsten Tag ab.




Wir verbringen einige Tage im Busch. Taklo wohnt mit seiner Familie elf Büsche entfernt und ist froh über jede Abwechslung in dieser Einsamkeit. Er zeigt uns seine Felder, Affenfallen… Er ist Animist eine kleine strohgedeckte Rundhütte, gefühlt mit Federn, Knochen, einer Lanze, Puppen und allerlei anderen Gegenständen ist sein Schrein. Hier betet er zweimal täglich und bringt seinem Gott zu besonderen Anlässen Tieropfer dar. Hier bauen wir zum letzten Mal unser Kino auf. Wie nicht anders zu erwarten, weniger Zuschauer hatten wir noch nie. Zu viert schauen wir uns zwei Filme an, ein schöner Ausklang…



Bobo Dioulasso ist die zweitgrößte Stadt des Landes mit dem Charme einer gemütlichen Kleinstadt. Momentan werden allerdings zeitgleich gefühlt die Hälfte aller befestigten Straßen erneuert. Überall Baustellen, Absperrungen, Umleitungen und staunend begutachtende Menschenaufläufe dort wo ein neuer Asphaltteppich ausgebreitet wird.

Bobos Moschee

Wir wohnen bei Adama einem sympathischen Rastamann vor seinem Kulturverein, direkt an der Zuglinie, auf einer noch asphaltlosen, sehr breiten Straße in unserem Bus. Auf der Straße bewegt sich ein mannigfaltiger Strom von Transportmöglichkeiten an uns vorüber, Schaf- und Kuhherden, Frauen die erstaunliche Aufbauten auf ihren Köpfen tragen, von Hand, Esel oder Kuh gezogene Karren, gnadenlos überladene Fahrräder und Mopeds, Autos jeglicher Couleur und endlose Güterzüge im Schritttempo. Im Kulturverein gibt es ein kleines Tonstudio und Räumlichkeiten für kleinere Konzerte. Man trifft auf ne Menge netter Leute die hier herkommen, um Musik zu machen oder einfach nur Dame zu spielen. Erstaunlich und angenehm, hier wird nur Tee konsumiert und jegliches rauchen ist verboten. War Marihuana nicht fester Bestandteil der Rastafari? Es läuft tagein tagaus Reggae und wir müssen aufpassen, dass uns diese Entspannungsmusik nicht unseren letzten Nerv raubt und wir ganz und gar unentspannt werden.






Der Plan hier unser rollendes Eigenheim zu verkaufen und auf kleinen Mopeds weiterzureisen könnte aufgehen. Zumindest bürokratisch scheint dies, möglich zu sein. Es fehlt also nur noch ein geneigter Käufer. Diesen zu finden ist nicht einfach. Es kommen nur Geschäftsleute in Frage, da sich hier privat fast niemand einen Minibus leisten kann. Adamas Freunde helfen uns dabei. Täglich kommen Interessenten vorbei lassen sich den Bus zeigen, hören sich den wunderbar, klingenden Motor an, um am Ende zu sagen, sie würden sich später wieder melden. Dieses „später“ ist ein dehnbarer Zeitraum und so verbringen wir viel Zeit mit warten. Nebenbei klappern wir die wenigen Autohändler und -verwerter dieser Stadt ab und lernen einige skurrile Persönlichkeiten kennen. Trotz unseres konkurrenzlos preiswerten Angebots kommt es nur einmal zu ernsthafteren Verhandlungen. Ein Kuhhändler ist tatsächlich interessiert und hat, wie er blicken lässt, auch gleich Geld mitgebracht. Die Verhandlungen erinnern an das Spiel „Stille Post“. Der Kuhhändler und sein Kompanion sprechen ausschließlich Jula, dies wird von Samba ins Französische und dann von Aisha ins Englische übersetzt, wir tauschen uns in Deutsch aus, um dann unsere Antwort auf die Reise zurück zum Kuhhändler in seine traditionelle Sprache zu schicken. Er ist Analphabet und wir sind gespannt, ob es ein Kreuz auf den Kaufvertrag gibt. Dazu kommt es leider vorerst nicht, da wir uns nicht auf einen Preis einigen können.



Zumindest verkaufen wir unser liebgewonnenes Kinoequipment in diesen Tagen, schluchz... Aischa eine Kanadierin, die seit acht Monaten durch Afrika wandert und hitchhiked hilft uns dabei mit ihren Übersetzungskünsten. Lustig zu beobachten, die moslemischen Käufer sind anfangs sichtlich irritiert mit einer Frau feilschen zu müssen. Aischa hat ihren Spaß dabei und die Kaufwilligen merken bald, dass sie mit ihr kein leichtes Spiel haben.

öffentliche Toilette

Am Wochenende entfliehen wir diesem täglichen Trott und campen an einem einsamen Wasserfall. Leider bekommt Aisha hier Malaria und kann die herrliche Natur nicht wirklich genießen. Medikamente haben wir dabei und so pflegen wir sie gentlemanlike gesund. Nach einer weiteren Woche erfolgloser Bemühungen der Käufersuche entschließen wir uns Denselbigen in Mali zu finden und brechen in Richtung Grenze auf.