21. April 2008

Äthiopien

Die Grenzformalitäten gehen wiedererwartend schnell und unkompliziert vonstatten. Über eine kleine Holzbrücke, die die beiden Länder symbolisch trennt, betreten wir eine völlig andere Welt. Die Landschaft ähnelt sich, doch begegneten wir nun Menschen, die ganz anders aussehen, mit eigener Sprache, anderen Hütten und anderer Religion. Auch ihre Tracht ist sehr eigen, sie sind farbenfreudiger, freizügiger gekleidet, mit kurzen Hosen, gerafften Kleidern, Wanderstöcken und bunten Regen- bzw. Sonnenschirmen. Sie sind redseliger, neugieriger, und im Vergleich zu den stolzen und zuvorkommenden Sudanesen viel aufdringlicher.

Leider verliert die Strasse auf äthiopischer Seite den so geschätzten Asphaltbelag. Für die 180 km steinig, staubige Rüttelpiste, die sich bis auf 2500 Meter hinaufschlängelt, brauchen wir zwei Tage, sieben neue Reifen und vier Reparaturen am Motor - teilweise mit Tempo 15 und alle Mann aussteigen, da ansonsten Flitzer die Steigungen nicht geschafft hätte. Aber die überwältigende Landschaft des abessinischen Hochlandes entschädigt: steile, schroffe Abgründe und tiefe Schluchten, waldbestandene Hänge und steinige Felder, dazu plötzlich Wolken am Himmel und immer angenehmeres Klima. Wir durchqueren kleine, noch sehr traditionelle Dörfer in ärmlichsten Verhältnissen, mit unzähligen Kindern, Hühnern, Rindern und Eseln.

An der Grenze

Die letzten Kilometer schleppt sich Flitzer über die Hochebene auf der Gondar liegt, und nach zwei weiteren Pannen innerhalb der Stadt, kommen wir im Dunkeln, ausgehungert, übermüdet, voller Staub, Motoröl und Dieselgeruch auf dem Hauptplatz im Gondar an, wo uns Ossi schon fast vors Auto springt.

Hier verbringen wir die nächsten drei Tage mit Ausspannen im Hotel, ausgiebigem Duschen, fremdartigem Essen, Ossi´s Geburtstag, äthiopischer Musik, über Märkte schlendern ….

Die Italiener, die hier während des 2. Weltkrieges Fuß fassen wollten, sorgten für traumhaften Kaffee Macchiato, Spaghetti und einige administrative Gebäude, die das heutige Zentrum bilden und die mit dem gemäßigten Klima hier das europäische Flair ausmachen. Dazu gibt es hier mehr Grün, auch Nadelbäume, Pfefferbäume, blühende Büsche und sogar Blumenbeete. Der Rest der Stadt besteht aus ärmlichen Wellblechhütten, windschiefen Holzbuden oder besseren Steinhäusern.

Besichtigungstouren führen uns zur Königsstadt aus dem 17. Jahrhundert des Herrschers Fasilada, mit seinen burgartigen Palästen, Bibliotheken, Ställen, Bädern und schönen, bemalten Kirchen.

Fasilada´s Königsstadt

Es gibt viele kleine Bars in denen traditionelle äthiopische Livemusik dargeboten wird und Fassbier ausgeschenkt wird. Da müssen wir nach wochenlanger Abstinenz natürlich einkehren. An den Wänden meist vergilbte Poster mit leicht bekleideten Schönchen oder Bob. Marley der große Meister wird hier von den Leuten vergöttert, doch die Musik die wir zu hören bekommen hat nichts mit Reggae zu tun. Die Bands bestehen meist aus drei Personen, dem Trommler, dem oder der Sängerin und dem Masiko Spieler. Die Masiko ist eine Art einseitiger Geige der ziemlich schräge Töne entlockt werden. In den improvisierten Texten werden die einzelnen Besucher besungen, natürlich auch wir. Eine Art äthiopischer Rap. Obwohl der inzwischen sichtlich angetrunkene Tischnachbar Guido´s für uns eine Simultanübersetzung ins Englische versucht, verstehen wir nicht viel mehr als unsere Namen in Verbindung mit Komplimenten die die Anwesenden sichtlich belustigen. Zu guter Letzt versuchen wir uns am folkloristischen Tanzstil und bringen unsere ganz eignen Elemente ein.

Auch widmen wir uns Flitzer, der eine Generalüberholung von Motor, Reifen, Tank, Fenstern, Schiebetür, Bodenblech und Innenausstattung dringend nötig hat. Nach einiger Suche finden wir eine Werkstatt mit einer Grube und fähigen Autoschraubern die uns dabei behilflich sind. Die Ausstattung der Werkstatt erinnert an ein Museum aus den Zeiten der industriellen Revolution. Der ganze Stolz ist, neben einem Schweißgerät, ein über lange Riemen betriebener Blasebalg. Eine Hinterlassenschaft der Italiener mit dem aus Mangel an einer Bohrmaschine auch Löcher gebrannt werden.

Unser nächster Weg führt uns jetzt zu fünft mit Ossi an Bord zum Dach Afrikas, dem Simien Gebirge. Unterwegs werden wir wieder ordentlich durchgerüttelt. Die Landessprache und die Schrift Äthiopiens ist Amharisch, daher können wir bei einem Zwischenstopp in einer Dorfkneipe auch nichts auf der Speisekarte entziffern. Das ist aber auch gar nicht nötig, da es eh nur Injera, das Nationalgericht, gibt. Eine Art großes Fladenbrot welches sehr sauer schmeckt, wie eine Art Schwamm oder Lappen aussieht und mit Fleisch oder Gemüse belegt wird. Das Ganze kann unsere Gaumen nicht wirklich verwöhnen. Da sich unser Aufenthalt im Land mit der 50-tägigen Fastenzeit der christlichen Äthiopier deckt, ist Fleisch meistens tabu.

Das Gebirge liegt in einem Nationalpark und da es dort warum auch immer gefährlich werden könnte, ist die Begleitung durch einen Scout Pflicht. Im Städtchen Debark am Fuße des Gebirges treffen wir uns am Morgen mit unserem Scout, einem sehr hilfsbereiten, mit einer Kalaschnikow bewaffneten Äthiopier namens Schiluk. Schon die Fahrt zum ersten Gebirgscamp wird zu einer echten Herausforderung. Die steinige Piste schlängelt sich steil bis auf ca. 3500 Meter hinauf. Schnell bemerken wir, dass auch Flitzer, ohnehin nicht der Bergmeister, mit der Höhenluft so seine Probleme hat. Immer wieder müssen wir an Steigungen gewichtige Dinge entladen, hinauftragen und ordentlich mit schieben. Als auch das nicht mehr hilft und Flitzer hoffnungslos als Verkehrshindernis auf der schmalen Piste steckt, werden wir noch zweimal abgeschleppt bis wir einen Grossteil unseres Gepäcks auf ein Pferd umladen und den Weg zu Fuß vorsetzen.

Schiluk

Am Abend kommen wir dann gut erschöpft in Senkabar dem ersten Camp an und genießen im Abendlicht die herrliche Aussicht über die Gebirgslandschaft. Nachdem Sonnenuntergang bemerken wir, dass es auch in Afrika richtig kalt werden kann. Nachdem wir all unsere Sachen übergezogen haben und uns Frostbeulen immer noch kalt ist, hilft nur noch ein Lagerfeuer und heißer Tee.

In den nächsten Tagen wandern wir auf schmalen Pfaden durch bewaldete Täler, über schroffe Hügel, vorbei an steilen Schluchten mit atemberaubenden Aussichten durch die Bergwelt. Wir beobachten das Familienleben der zutraulichen Affen, die auf Beuteschau kreisenden Adler, nehmen ein Erfrischungsbad im klaren, eiskalten Wasser eines kleinen Wasserfalls und begnügen uns damit den Gipfel des Ras Dashen (höchster Berg Äthiopiens) nur in Augenschein zu nehmen.

Dorf im Simien Gebirge

Als wir uns in einem Bergdorf zwei Hühner für unser Abendessen kaufen wollen, finden wir uns in einer anderen Welt und Zeit auf einen Kaffee in der Hütte einer Familie wieder. Die siebenköpfige Familie, die von ihrer Viehherde lebt, wohnt in einer aus Ästen, Lehm und Stroh gebauten Hütte zusammen mit ihren zahlreichen Hühnern. Die noch grünen Kaffeebohnen werden über der Feuerstelle geröstet, mit einem hölzernen Mörser gemahlen und aufgegossen. Die Hütte fühlt sich dabei mit dichtem Rauch. Der einzige Gegenstand der an unsere Zivilisation erinnert, ist ein Plastikkanister. Nachdem der Hausherr die Seelen der Hühner ins Paradies geschickt hat, flattern diese noch einige Zeit kopflos durch die Gegend. Die Frau des Hauses bereitet diese nach eigenem Rezept zu und wir lassen es uns zusammen mit der Familie schmecken.

In Bahir Dar am Lake Tana, aus dem der blaue Nil entspringt, unternehmen wir eine Bootsfahrt zu einigen Inseln des Sees. Unterwegs kommen uns einige Papyrusboote entgegen und wir bekommen unseren ersten Hippo zu Gesicht. Ganz unvermittelt taucht er in der Nähe unseres Bootes auf, wackelt mit den Ohren zum Gruß um genauso schnell im bräunlich, trüben Wasser des Sees wieder zu verschwinden.

Die kleinen Inseln sind von einer üppigen Vegetation überzogen. Mango-, Avocado-, Papaja und andere Bäume breiten ihre Kronen zu einem grünen Dach aus. Kinder überreichen uns zur Begrüßung eine süßlich schmeckende Frucht die einem den Mund für einige Zeit betäubt. Die meisten der Inseln werden seit Jahrhunderten von Mönchen bewohnt. Einige der Inseln dürfen nur von Männern betreten werden. Ihre Klöster sind eher spartanisch eingerichtet und mit naiven farbenfrohen Malereien von Bibelszenen verziert.

Nachdem der blaue Nil dreißig Kilometer Richtung Süden zurückgelegt hat stürzt er an den „Blue Nil Falls“ vierzig Meter in die Tiefe. Mittlerweile wird ein Großteil der Wassermassen zur Stromerzeugung durch ein Wasserkraftwerk umgeleitet. Eine wichtige Energiequelle für Äthiopien, nur leider wirkt der Wasserfall dadurch bei weitem nicht mehr so spektakulär. Uns kommt daher eines der in Afrika so zahlreichen technischen Probleme zu pass, auf Grund dessen das Wasserkraftwerk außer Betrieb ist und wir die Wasserfälle in voller Fülle bestaunen können.

Blue Nil Falls

Der Weg nach Addis Abeba Richtung Süden führt über eine ca. 2000 Meter Hochebene. Dort kreuzt der blaue Nil noch einmal unseren Weg. Schön diesem Fluss unserem bisherigen „Begleiter“ in Afrika wieder zu begegnen. Nur hat er sich dort über 1000 Meter tief ins Gestein geschnitten und eine beeindruckende Schlucht geschaffen. Die Strasse schlängelt sich erst in die Tiefe überquert den Nil, um dann wieder in steilen Kurven in die Höhe zu steigen. Eine echte Herausforderung für Flitzer. Da Ulli und Ossi schnell in die Hauptstadt müssen und das Flitzerabenteuerkonto mehr als voll ist, fahren die Beiden mit einem Bus schon mal voraus. Unsere Bremsen fangen auf der Fahrt nach unten an zu glühen und verweigern fast den Dienst. Selbst der Inhalt des fünften Wasserbechers, den Guido über das Vorderrad gießt, verdampft sofort mit einem Zischen. Dafür bereitet der Aufstieg, dank fleißiger Chinesen, die die Strecke größtenteils asphaltierten, weniger Probleme als befürchtet.


Hot Springs


Der Blaue Nil

Bei Einbruch der Dunkelheit erreichen wir endlich Addis Abeba. Nach einer längern Abwärtsfahrt, eröffnet sich das Lichtermeer der pulsierenden Metropole und das Gewühl in den verkehrsreichen Grosstadtstrassen. Nach mehrmaligen Nachfragen und einer gewissen Portion Glück finden wir das Baro Hotel in der Nähe des “Piazza“, wo Ossi und Ulli uns erwarten. Leider verprellt uns das unverschämte Management derartig, dass wir es am Folgetag vorziehen das Hotel zu wechseln. Als Campingplatz wird uns ein Fleck im Flur angeboten, Flitzer soll extra kosten und die allgemeinen Zimmer machen einen recht verwahrlosten Eindruck, was wiederum nicht einmal durch billige Preise ausgeglichen wird. Ganz im Gegenteil!

Das Viertel ist gespickt mit lärmenden Bars, Diskos und Cafés. Wobei die Cafés insbesondere mit leckeren, frisch gepressten Säften locken, schrecken die Bars und Diskos uns eher mit ihrer betrunkenen Kundschaft und übersteuerten Musikanlagen ab. In den Abendstunden bieten viele Prostituierte auf den mit Müll verdreckten Strassen ihren Körper feil. Die Aids-Rate soll gerade unter Jugendlichen ein Schwindel erregendes Niveau erreicht haben. Viele Hotels versuchen dem mit kostenfreier Kondomausgabe zu begegnen. So sind auch im ganzen Land öffentliche Kondomautomaten zu finden.

Am nächsten Tag steht eine Erkundungstour von “Addis“ an. Vom “Piazza“ laufen wir zum “Mercat“, einer riesigen Marktgegend. Hier werden alle erdenklichen Waren und Tiere angeboten. Verschiedenste Duft- und Rauchwolken stimmen einen auf das jeweilige Angebot ein. In ganzen Straßenzügen werden jeweils ähnliche Produkte verkauft. Dies ermöglicht dem Kaufinteressierten jeweils eine Auswahl zwischen hunderten verschiedenen und gleichen Gewürzen, haufenweise Metallartikeln oder eben Unmengen an Eiern und Hühnern lokal begrenzt in einen bestimmten Straßenzug des Marktes zu erstehen. Was für erstmalige Besucher als verwirrendes Labyrinth erscheinen mag, hat durchaus ein festgelegtes System, im dem sich die Einwohner der Millionenstadt zielsicher zurechtfinden. Es wird behauptet, dass es sich hier um den größten Markt Afrikas handeln soll. Ob dies nun stimmt, sei dahin gestellt. Jedenfalls kann man sich in diesem weitläufigen Komplex aus Ständen, fliegenden Händlern, mit Menschen gefüllten kleinen Gassen, verschiedenen Gottes- und Lagerhäusern leicht verlaufen oder zum Opfer von Taschendieben werden. Beides bleibt uns glücklicherweise erspart.


Markttreiben in Addis Abeba

Fast zufällig stoßen wir auf einen Busbahnhof und fragen uns nach der entsprechenden Linie zu dem uns empfohlenen Ethnologischen Museum durch. Das Einsteigen in diesen, erweist sich als komplizierter als erwartet. Wir müssen uns an einer wartenden Menschenmasse vorbeikämpfen um eines der günstigen Tickets zu erstehen. Nun haben wir die Erlaubnis, durch Drängeln zu versuchen in den sich schnell fühlenden Bus zu gelangen. Dank äthiopischer Helfer kommen wir in den Genuss schnell vergriffener Sitzplätze. Die Fahrt im überfüllten Bus endet in einem höher gelegenen Stadtteil, wo wir letztendlich das “National Museum“ besuchen. Hier sind verschiedene Knochenfunde, Gemälde, Uniformen und der Thron von Haile Selasi ausgestellt. So sind die Überreste von “Lucie“, einem 3,2 Millionen Jahre alten menschlichen Knochenfund, ausgestellt, was dem Besucher den PR-Slogan von Äthiopien als Wiege der Menschheit näher bringt.

Wie hier im Nationalmuseum kassieren die staatliche Fluggesellschaft, die Nationalparks, öffentliche Einrichtungen wie auch private Dienstleister unterschiedliche Preise von Ausländern und Äthiopiern. Wobei die staatliche Fluggesellschaft ganz offiziell ihre Preise für afrikanische und nicht afrikanische Ausländer staffelt, erheben Restaurantbesitzer im Allgemeinen höhere Preise in der englischen Übersetzung der Speisekarte. Können wir dieses Problem in einem Restaurant noch recht einfach mit dem Verweis auf die amharisch verfasste Preiskalkulation und einem grimmigen Blick des Kellerns umgehen, wird uns anderorts in einer Saftbar gleich mit der Polizei gedroht. So freut sich Hetai an diesem Tag einmal mehr, dieser Preisstaffelung durch Nichtbezahlen im Museum entgehen zu können.

Am Abend geht es dann in einem Minibus zum Abendessen bei Monika. Sie ist die einzige deutschsprachige Expertin der Global Reserve Bank, kurz GRB. Ihrer Meinung nach ist dies ein modernes und zukunftweisendes Modell, in dem anstatt Geld nur noch Eco Credits zirkulieren. Bisher konnte diese Institution bereits 4000 Mitglieder auf einer Internetliste für sich gewinnen. Nach dem Willen der GRB werden alle Menschen zu shareholdern der Welt, in der ökologische Verhaltensweisen belohnt werden. Jeder bekäme täglich 40 Eco Credits zum leben und auf diese Weise würde die Armut weltweit abgeschafft, wobei die Reichen trotzdem noch reicher werden könnten. Bereits 2012 soll nach Willen der Protagonisten dieser Bank das monetäre System umgestellt werden. Jedoch sei noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten und selbst die meisten eingeschrieben “shareholders“ seien eher Karteileichen. Sie hat sich bereits mehrere Jahre mit diesem Modell beschäftigt und bekräftigt mehrfach, dass es sehr einfach, gewissermaßen kinderleicht zu verstehen sei. Jeder Bewohner solle durch DNA-Code und Iris-Scan erfasst werden und irgendwie sei dann alles transparent. Missbrauch werde durch nachbarschaftliche Kontrollhilfe unterbunden. Kommunikation ist ein weiterer Schwerpunkt ihrer Vision. Alle shareholder werden vernetzt und sie habe auch gehört, dass es bereits ein Auto gäbe, welches mit kosmischer Energie fahre. Bleibt abzuwarten in wie weit sich dieses System durchsetzen wird.

Bis dahin hält sich Monika finanziell erstmal mit dem Verkauf von Infobroschüren über die Konditionen für die Vergabe kanadischer Stipendien über Wasser.

Den durchaus interessanten Abend verbringen wir mit dem Verspeisen eines leckeren Essens und einer Flasche Zitronenlikeur. Auf dem Nachhauseweg wird uns ein weiteres Mal vor Augen geführt, dass Afrika auch recht kühl sein kann.

Bei unserer Weiterfahrt in den Süden relaxen wir einige Tage am Laganosee, in dem man wegen seines hohen Mineralgehalts gefahrlos baden kann. Kaum zu glauben aber echter Luxus hier. Entweder gibt es große Tiere die einen zum Fressen gern haben oder ganz kleine die sich erst später unangenehm bemerkbar machen.

Am Laganosee

Ein paar Kilometer südlich lernen wir, dass in vielen Reggaesongs hoch gelobte Shashemene kennen. Hier erlaubte Haile Selasi der Rastafaribewegung sich niederzulassen und schenkte ihnen Boden. Es sollte die Diaspora beendet und im gelobten Land ein Neuanfang ermöglicht werden. Noch heute verehrt die Rasta-Community Haile als Quasigottheit und Shashemene gilt als ihre Hauptstadt. Ein Besuch im Rastafarimuseum soll die eine oder andere Wissenslücke diesbezüglich schließen. Allerdings stellt sich das Museum als das Wohnzimmer eines in die Jahre gekommenen, recht sympathischen, grauhaarigen Rastas heraus, der uns gegen ein geringes Entgelt seine Lebensgeschichte bei einem Joint erzählt. Unter Anderem erfahren wir, dass sein von Haile Selasi geschenktes Land in eine Polizeistation verwandelt wurde und er sich für einen großen Mediziner hält. Sein Wohnzimmermuseum gleicht einem Panoptikum aus Pflanzenextrakten, persönlichen Papieren, Fotos sowie Büchern. Im Gegensatz zum “Museumsdirektor“ diskreditiert die benachbarte Rasta-Community sich selbst. Ihre angeblichen Ideale von gegenseitiger Hilfe und Freundschaft entblößen sich bei unserer Abfahrt als plumpes Abkassieren für den geparkten Flitzer. Enttäuscht und mit einem bitteren Nachgeschmack verlassen wir die Stadt. Bad vibrations!

Der Museumsdirektor


In der Hoffnung auf ein weites Badevergnügen spuckt uns Flitzer am Awasasee aus. Leider ist hier das Baden aufgrund der hohen Bilharziosegefahr tabu, stattdessen lernen wir die Campingplatzbesitzerin Jana kennen. Sie steht in einem Rechtsstreit mit ihren Nachbarn, einer protestantischen Sekte die lautstarke Teufelsaustreibungen praktiziert und sie als die Personifizierung des Bösen darstellt. In unserem Beisein finden keine diesbezüglichen Aktivitäten statt. Sie selber ist aber derartig genervt davon, dass sie nach vielen Jahren alles aufgeben und Äthiopien verlassen will.

Das Städtchen Arba Minch (Vierzig Quellen) liegt zwischen zwei Seen und einem Gebirgszug. Hier kommen wir im Dunkel der Nacht an und landen auf der Wiese eines verlassen wirkenden Luxushotels. Am Morgen eröffnet sich uns der grüne Blick über das tiefer gelegene Blätterdach des Waldgebietes in dem sich die vielen Quellen ergießen. Da auch am Morgen keiner wirklich für das Hotel zuständig zu sein scheint, verlassen wir es ohne Bezahlung. Vom Wachmann werden wir noch freundlich verabschiedet.

Das Quellgebiet gehört zu einem Nationalpark in dem wir unsere ersten Zebras friedlich grasen sehen. Auch Krokodille, Gazellen und die allgegenwärtigen Affen gibt es zu bestaunen. Wir nächtigen an einem Flüsschen welches zum kühlen Bade einlädt, zwischen einem Warzenschweinpärchen, einer lärmenden Wasserpumpstation und einer Horde Affen mitten in der Natur. Im Wasser wartet ein zweifelhaftes Vergnügen auf uns. Scharren von Saugwelsen sind auf ihre ganz eigene Art um unsere Sauberkeit bemüht. Die kontaktfreudigen Fische sorgen für viel Heiterkeit. Dies ist auch schon der Abschiedsabend von Ulli und Ossi.

Zebra?

Wir verbringen die weiteren Tage in einem authentisch äthiopischen Familienhotel mit angeschlossener Gastwirtschaft. Olli hat Margen- Darmprobleme aber die Belegschaft kümmert sich mit Naturheilmitteln rührend um ihn. Von Ihnen werden wir in Äthiopien auch das erste Mal eingeladen, nämlich zu einer hierzulande typischen Kaffeezeremonie. Ansonsten verbringt ein Grossteil der männlichen Kundschaft die Zeit damit, Bier zu trinken und das Stimulationskraut Chad zu kauen.

Auf unserem weiteren Weg ins Omo Tal stößt Karsten zufällig zu uns. Dafür verlässt uns unserer Freund der Asphalt mal wieder. Gleich auf der ersten Umleitung muss uns eine große Straßenbaumaschine auf die Sprünge helfen. Nach dem Nächtigen an der Hauptstraße in Form einer Sandpiste werden wir von einer Horde Kinder vom Stamme der Konzo geweckt. Sie verfolgen die Reparatur des Kochers, sowie unser Frühstück mit äußerstem Interesse. Da sie für äthiopische Verhältnisse relativ wenig nerven, bekommen sie auch einen Fußball überreicht, so dass Karsten seine spielerischen Fähigkeiten unter Beweis stellen kann.

Guido´s Kochstudio

Normalerweise erwarten die meisten Leute etwas von uns geschenkt zubekommen, ganz egal was. Sehr häufig werden wir von einer Meute erwartungsvoller Kinder umringt. Wir haben ja ne Menge Mitbringsel dabei, nur einfach bei weitem nicht genug für alle und wenn man am Ende von den leer ausgegangenen Kids beschimpft wird, ist es eher müßig Weiteres zu verteilen. Hört sich wahrscheinlich stressiger an als es ist, da wir uns mittlerweile daran gewöhnt haben und mit den Kleinen ganz gut klar kommen.

Mit einer äußerst bescheidenen Durchschnittsgeschwindigkeit erreichen wir das Dorf Wayto und müssen feststellen, dass unsere Dieselvorräte etwas knapp bemessen sind. Da es im weiten Umkreis keine Tankstelle gibt, lassen wir uns zu dem Fehler verleiten, auf dem Schwarzmarkt Spriet zu kaufen. Nicht nur das sich der Handel um vierzig Liter Diesel über mehrere Stunden und verschiedene Verkäuferparteien hinzieht, bekommen wir zu überhöhten Preis eine Brühe bisher nicht gekannter Unqualität angedreht. Dies soll sich rächen. Flitzer kollabiert in den Folgetagen. Die Tankleitungen verstopfen. Wir müssen freipusten, ansaugen, umleiten, ablassen, filtern und dann wieder von vorn. Auch unsere Haut ist irgendwann von einem Dieselfilm überzogen, die These dass sich Moskitos davon stören lassen, kann Guido nicht bestätigen. Im Dieselgestank geht die Reise mehr schlecht als recht, noch schleichender vorwärts.

Während eines nun häufiger vorkommenden Zwangsstopps, nehmen wir die ersten Kontakte mit dem Volk der Hamer auf. Zwei leicht bekleidete Schönheiten tauchen aus dem Grün der Umgebung auf und mustern uns skeptisch bei unserem mittlerweile immer routinierter werdenden Freiblasen der Schläuche. Die fotogenen Hamerfrauen tragen viele farbenfrohe Perlenketten um den Hals und die Arme, verzierte Lendenshorts aus Ziegenhaut und massive metallische Halsringe. Die Anzahl dieser Halsringe gibt Aufschluss darüber die wievielte Ehefrau ihres Mannes sie ist. Ihre Haare verzieren sie mit Hilfe von Henna-farbener Tonerde. Man könnte fast den Eindruck gewinnen viele Hamer würden nebenbei als Fotomodell arbeiten, da sie sich gegen Bezahlung fotografieren lassen wollen.

Erschöpft erreichen wir das Dorf Turmi. Der Wunsch abends Hühnchen zu essen, lässt uns die Umgebung nach heimischen Viehhaltern erkunden. Nach kurzer Zeit treffen wir auf zwei Hamerfrauen, die gerade damit beschäftigt sind in einem trockenen Flussbett Trinkwasser aus einem Loch zu schöpfen. Mit Händen, Füßen und Geräuschen versuchen wir ihnen unser Anliegen zu erläutern. Anscheinend mit Erfolg, denn zwei hinzukommende Jugendliche führen uns durch verschiedene Hamer-Wohnstätten, um für uns zwei Federviecher käuflich zu erstehen. Wir besuchen zahlreiche aus etwa drei runden Strohhütten bestehenden, kreisförmig angelegten Siedlungen. Meist treffen wir hier nur auf die Frauen, da die Männer noch mit den Herden auf den Weiden unterwegs sind.

Beim Wasserschöpfen

Im Hamerdorf


Am Ende werden wir fündig und erstehen nach aufregender Hühnerjagd zwei Prachtexemplare. Nur nicht wie gewohnt in einer Plastikverpackung sondern quicklebendig. Dies führt zu einer länger anhaltenden Diskussion über das Wie? und Wer?. Da kommt uns unser zukünftiger Begleiter Bali zur Hilfe. Er ist Koch von Beruf und in der Hoffnung, dass die Hühner durch seine routinierte Hand einen schmerzlosen Tod finden werden, überlassen wir ihm diesen Part. Sein Vorschlag eine Hamerhochzeit mit ihm zu besuchen, stößt auf unser Interesse.

So brechen wir am Folgetag mit Bali auf. Die Piste ist rekordverdächtig schlecht. Als Zeltplatz bietet sich das Gelände einer Krankenstation an. Nach Übergabe aus Deutschland mitgebrachter Medikamente und Verbandszeug verdoppelt sich der dortige Bestand.

Die Hochzeit entlohnt für die Strapazen der Fahrt. Nach einem halbstündigen Fußweg erreichen wir am Ufer eines trockenen Flusslaufes den Ort des Geschehens. Die Vorbereitung sind im vollen Gange. Bereits fünfzig Gäste sitzen auf Tierfellen unter den Bäumen im Schatten. Wir sind die einzigen anwesenden “Nicht-Hamer“ und uns wird ein Platz neben den Stammesältesten zugewiesen. In einer Tonne bereiten zwei Frauen eine Art Bohnenbrei auf einem Feuer zu. Andere sind damit beschäftigt ihrem Outfit den letzten Schliff zu verpassen: Schmuckanlegen und Körperbemalen. Zwei Friseure leisten ganze Arbeit. Aufwendig werden die Haare geflochten und gerichtet, um dann mit Tonerde eingefärbt. Hierarchisch höhergestellten Männern erhalten auf dem Hinterkopf eine Art “Tonkappe“. Diese zeugt von Jagd- oder Kriegsglück und ist mit einem Lochmuster verziert.

Mittlerweile ist das Essen fertig, auch uns wird in einer Kürbisschale ausgiebig gereicht. Dazu machen mehrere große Schalen einer selbstgebrauten bräunlichen Suppe, dem lokalen Bier die Runde.

Ein Steinwurf entfernt tanzen mehrere Frauen sich über Stunden in Ekstase. Unter reichlichem Alkoholgenuss wird gesungen, gesprungen, getrötet und im Kreis getanzt. Die Kalaschnikow, der sogar ein eigener Song gewidmet ist, darf dabei natürlich nicht fehlen. Die weiblichen Familienangehörigen des Bräutigams lassen sich rituell auspeitschen. Wie uns erzählt wird, stellt dies ein Liebesbeweis dar. Dies hinterlässt auf den Rücken vieler Frauen große Narben. Zu späterer Stunde beteiligen sich auch die Männer in einer atemberaubenden Geräuschkulisse an den Tänzen.

Kurz nach Sonnenuntergang findet das eigentliche Initiationsritual “bulljumping“ statt. Der Bräutigam muss viermal über die Rücken der Bullen seiner Familie laufen. Nun ist er im Kreise der Männer aufgenommen. Einige Zeit später wird er erfahren, welche Ehefrau seine Eltern für ihn ausgewählt haben.

Die Hamer Hochzeit

In der Umgebung Jinkas des größten Ortes im Omo Tal leben verschiedene andere Stämme. Unter ihnen auch die Mursi. Sie fallen durch ihren außergewöhnlichen Körperschmuck ins Auge, so tragen die Frauen Tonscheiben in ihren gedehnten Unterlippen. Leider können wir aufgrund des Regens und der unglaublich schlechten Pisten keines ihrer Dörfer besuchen. Wir treffen einige von ihnen auf dem Markt in Jinka, wo sie ihre Waren verkaufen.

Mursifrau mit ihrer Tellerlippe

Hier bringen wir das nötigste an Flitzer in Ordnung und erhalten bekömmlicheren Diesel. Hätten wir alle Reparaturen und Pannen in Äthiopien erwähnt und beschrieben, wäre dieser Reisebericht zu einer Reparaturanleitung mutiert und die gibt es ja schon.

In Konzo einem Dorf am Rande des Omo Tales wird uns mitgeteilt, dass auf unserem Weg nach Yabelo momentan bewaffnete Auseinandersetzungen zweier benachbarter Ethnien über die Landverteilung stattfinden. Da die Alternativroute 600 km Umweg bedeuten würde, nehmen wir notgedrungen diese Strecke. So werden wir nach 30 km von einer Gruppe bewaffneter Männer gestoppt. Da wir offensichtlich nicht zu dem verfeindeten Stamm gehören dürfen wir passieren. Beim nächsten Dorf hinter der Kampflinie erwartet uns die Gegenseite und informiert sich bei uns über die Lage auf der anderen Seite.

Der Weg zur kenianischen Grenze führt durch eine surreale von weißen, skulpturähnlichen Termitenhügeln gesäumte Salzwüstenlandschaft. Der Einsatz neuer PC´s am Grenzübergang beschleunigt die Abfertigung in keiner Weise. Jeder Buchstabeneingabe geht eine ausgedehnte Suche voraus. Irgendwann erscheint auf dem PC Schirm, dass unsere Visa „expired“ sind. Da der Grenzbeamte mit diesem englischen Wort anscheinend nicht viel anfangen kann, stellt diese Tatsache glücklicherweise kein weiteres Problem dar.

Freiluftmuseum