3. August 2010

Angola


Um zwei Uhr erreichen wir den angolanischen Grenzposten, frohen Mutes diesen noch am selben Tage zu passieren. Wir haben es eilig. Kristin möchte ihren Flug in Luanda bekommen. Vor dem Immigrationsschalter befindet sich eine Menschentraube. Es wird lautstark debattiert und jeder versucht irgendwie an das kleine Fenster zu kommen, um dem Grenzbeamten seine Papiere zukommen zu lassen. Als uns dies endlich gelingt schüttelt der griesgrämige Grenzbeamte im Angesicht unserer Papiere nur mit dem Kopf. Da wir keine gemeinsame Sprache sprechen dauert es eine Weile bis klar wird was sein Problem ist, er möchte unsere Einladung sehen. Ohne diese dürften wir auf gar keinen Fall passieren. Wir versuchen ihm klar zu machen, dass wir diese auf der angolanischen Botschaft abgegeben haben und wir ohne diese ohnehin kein Visum bekommen hätten, welches wir ja im Pass haben. Das interessiert ihn herzlich wenig. Andere Passierwillige geben uns den Tipp besser nicht zu lange mit dem Grenzbeamten zu diskutieren, da es gut passieren könne, dass dieser dann genervt unsere Visa streicht und für ungültig erklären könnte. Wir müssen also irgendwie unser Einladungsschreiben besorgen. Glücklicherweise reicht eine Kopie aus und diese könnte man aus Deutschland übers Internet bekommen. Nur wo gibt es hier Internet, in Namibia? Dort sind wir aber schon ausgereist. Egal Kristin und Guido gehen kurzerhand im Menschenstrom vorbei an den namibischen Grenzposten zurück nach Namibia. Dort gibt es glücklicherweise tatsächlich Internet und ein Drucker lässt sich auch auftreiben.

Auf dem Rückweg rennt eine Frau blitzschnell an uns vorbei, hält einen Mann fest und brüllt ihn an „Give it her back! Give it her back!....“. Augenblicklich bildet sich eine Menschenansammlung um uns herum. Kristin wundert sich darüber, dass der Mann den gleichen Fotoapparat in den Händen hält, den auch sie benutzt. Es dauert einen Moment ehe wir mitbekommen, dass dies kein Zufall ist. Mittlerweile schreien einige Leute auf den Langfinger ein und nach einigen Handgreiflichkeiten gibt er mit einer entschuldigenden Geste Kristins Eigentum zurück und darf seiner Wege ziehen. Wir haben davon gehört, dass ein gefasster Dieb oftmals, sofort an Ort und Stelle durch Prügel oder Schlimmeres abgestrafft wird. Dieser Akt von Selbstjustiz bleibt ihm und damit uns glücklicherweise erspart. Wir bedanken uns bei unserer taffen Retterin. Der bisher einzige Versuch eines Taschendiebstahls auf unserer Reise durch Afrika, das wäre wohl auch in Europa ein guter Schnitt.

Wir hoffen nun ohne gültige Papiere wiederum zurück durch den namibischen Grenzposten zu kommen. Auch das geht gut und wir übergeben dem angolanischen Grenzbeamten unser Einladungsschreiben. Er studiert es mit einer bemerkenswerten Ausdauer und stellt nach geraumer Zeit befriedigt fest, dass Guidos Passnummer auf dem Schreiben falsch eingetragen ist. Wir schaffen es ihn, mit Hilfe eines seiner verständlicheren Kollegen, davon zu überzeugen, dass dies an einem Übertragungsfehler im Internet liegen könnte. Damit gibt er sich zufrieden, allerdings vermisst er nun den namibischen Ausreisestempel in Hetais und Guidos Pässen, denn diese sind in ihren in Namibia benutzten Zweitpässen. Von anderen Ausreisenden wandern immer wieder Geldscheine zu den Grenzbeamten und wir sind uns nicht mehr sicher, ob all diese Schikanen nur dem Zweck dienen von uns etwas Bakschisch zu erhalten. Nun gut. Wir müssen zurück zum namibischen Grenzposten um dort weitere Ausreisestempel zu erbeten. Nach einer weiteren Stunde Diskussionen, nun mit den namibischen Grenzbeamten ist auch die Sache mit den Stempeln geklärt und wir bekommen tatsächlich den angolanischen Einreisestempel in die Pässe gedrückt. Nun heißt es nur noch den Papierkram fürs Auto erledigen.

Mittlerweile ist es Abend geworden, der für die Autopapiere Verantwortliche macht gerade Feierabend und wir nächtigen mit einigen Truckfahrern denen es bislang ebenfalls nicht gelungen ist, ihren Papierkram zu erledigen auf dem Grenzposten. Ich möchte mit einer Beschreibung der Erledigung unserer Autopapiere nicht langweilen. Nach zwei weiteren morgendlichen Stunden können wir einsteigen, der Schlagbaum öffnet sich und wir verlassen diesen Ort.
Die folgenden drei Tage könnte man mit „Rallye Luanda“ umschreiben. Auf teils unbefestigten Gelände, das Wort Straße oder Weg wäre nicht zutreffend, werden wir ordentlich durchgeschüttelt und bewegen uns durch wunderschöne, seichte, immer grüner werdende Berge. Als wir im Sand stecken bleiben werden wir, wie selbstverständlich, sofort von namibischen Truckfahrern an langen Seilen wieder herausgezogen. Die „Solidargemeinschaft - Leidtragende angolanischer Verkehrswege“ funktioniert. Als wir die Atlantikküste erreichen erfahren wir, dass es am Meer entlang eine Abkürzung von 300 Kilometern gibt. Hurra. Diese nehmen wir und haben so die Zeit in einem Fischerdorf Halt zu machen, ein nötiges Bad zu nehmen, Muscheln zu sammeln und über den ersten wirklichen Markt seit langem zu schlendern. In Südafrika und Namibia haben Supermärkte diese fast vollständig verdrängt. Viele Angolanern begrüßen uns freundlich und wollen ein Plausch mit uns halten. Anders als in Südafrika oder auch in Namibia scheint es zwischen der hier verschwindend kleinen weißen Minderheit und den Schwarzen keine Mauer des Rassismus zu geben. Wir kommen nun gut voran und verbringen auch den Nachmittag und Abend am Meer.










Luanda begrüßt uns mit wolkenbruchartigem Regen. Immer wieder überraschen die Extreme der Natur auf diesem Kontinent, seit zwei Monaten kein Tropfen und nun dieser Überfluss. Einige Straßen stehen unter Wasser und das Verkehrschaos ist perfekt. Wir schaffen es trotzdem pünktlich am Flughafen zu sein. Nach drei Wochen der Ungewissheit, ob wir es denn pünktlich schaffen würden ist Kristin nun sichtlich erleichtert. Die Erlebnisse, Eindrücke und damit verbundenen Gefühlsschwankungen bleiben wohl noch lange in Erinnerung und haben uns zusammengeschweißt, so fällt der Abschied nicht leicht. Die lebendige und moderne Stadt, direkt am Ozean gelegen ist durch den Ölboom und den Diamantenreichtum Angolas, nach dem 2002 beendeten Bürgerkrieg zwischen der MPLA und der Unita zu einer sehr teuren Wohlstandsoase geworden und versinkt täglich auch ohne Regen im Verkehrschaos. Eine weit ins Meer reichende Halbinsel bietet mit ihren Stränden Erholung und Ruhe. Die können wir auch gebrauchen. Um Visa für die zwei kongolesischen Staaten und Gabun zu besorgen tingeln wir durch den Dauerstau von Botschaft zu Botschaft. Erfindungsreich, welche Hürden sich die korrupten Beamten dabei für uns einfallen lassen. Zum Beispiel müssen wir einen von der deutschen Botschaft beglaubigten Nachweis erbringen, welcher uns als Touristen ausweißt. Nun ist es also amtlich wir sind Touristen!


Wir wohnen in einer Gegend um die der neue Wohlstand bisher einen Bogen gemacht hat. Wasser und Strom gibt es nicht immer und geduscht wird aus der Schüssel. Hier leben viele Immigranten aus anderen afrikanischen Ländern; ein buntes Durcheinander. Unser sehr zuvorkommender Gastgeber heißt Felix. In Luanda aufgewachsen hat er die rasanten Veränderungen der Stadt nach dem Bürgerkrieg miterlebt. Er ist gerade dabei sich seine eigene Bleibe einzurichten. Aufgrund der exorbitanten Mietpreise ist diese sehr klein und so weiß er nicht so recht wie er seine Sachen in dem Zimmerchen unterbringen soll. Da das Zimmer ca. vier Meter Deckenhöhe hat, schlagen wir ihm ein Hochbett vor. Diese Variante einer Schlafstätte ist hier gänzlich unbekannt. Erst etwas skeptisch, vor allem wegen seiner etwaigen zukünftigen Freundin die sich nicht in diese Höhen wagen könnte, können wir ihn am Ende davon überzeugen, dass so ein Bett stabil sei und Aktivitäten in dieser Höhe eher noch spannender wären. Mit Felix und seinem Bruder sind wir viel in der Stadt unterwegs. Immer und überall treffen die Beiden Freunde, Bekannte oder Verwandte und ein kurzer Plausch ist obligatorisch. Irgendwann fragt uns Felix ob wir nicht Lust hätten in einer Fernsehshow über unsere Reise zu berichten. Der Moderator wäre ein Freund von ihm und würde uns gern einladen. Am Ende sind wir nicht wirklich überzeugt von dieser Idee und lehnen die Einladung ab. Wir besuchen Felix altes Wohnviertel und landen dort auf dem Geburtstag einer Freundin, tauchen ins Nachtleben ein oder genießen am Strand einfach nur im Sand zu liegen und dem Meer zuzuhören.



Auf unserem Weg aus der Stadt Richtung Norden bietet sich uns im Gegensatz zum blendenden Zentrum ein Bild bitterster Armut. Hier liegen die Industriegebiete, der Hafen, stinkende Ölraffinerien und soweit das Auge reicht Slams die im eigenen Müll ersticken. Über Kilometer schieben wir uns in einer Blechlawine im Schritttempo durch diese traurige Gegend. Von den Öl- und Diamantenmilliarden kommt bei den Menschen hier wie auch auf dem Land nur wenig an. Sechzig Prozent der Angolaner haben keinen Zugang zu Trinkwasser und ausreichend medizinischer Versorgung. Auf dem Land können viele Bauern ihre Felder nicht bestellen weil immer noch Landmienen im Boden stecken um deren Beseitigung sich kaum gekümmert wird, viele Dörfer haben keine Stromversorgung, über ein drittel der Kinder können nicht zur Schule gehen. Wenn auch nach knapp dreißig Jahren Bürgerkrieg kein leichter Anfang zu machen ist, diese Gegensätze sind zum Himmel schreiend. Nebenbei bemerkt, der Präsident Angolas Jose Eduardo dos Santos ist einer der reichsten Männer auf diesem Planeten...

Nach 100 Kilometer Mondpiste, machen wir am Meer im absoluten Nirgendwo einige Tage Halt. Soweit das Auge reicht traumhafter Strand, einige Fischerboote, sonst nur Meeresrauschen und Sterne im Dunkel. Die Fischer leben im einige Kilometer entfernten Dorf. Jeden Morgen gehen sie auf Fischzug. Nachdem wir aufgestanden sind und das erste Bad hinter uns haben, kommen sie passend zum Frühstück mit frischen Schlemmereien zurück. Leckerster Fisch, kleine Krabben, große Krabben, Garnelen, Langusten… ein paar Jungs zeigen uns gern wie man die verschiedenen Köstlichkeiten richtig zubereitet.









Die Landschaft wird immer hügliger und entfernt zeichnet sich ein Gebirge ab. Wir fahren durch eine immer üppiger werdende Vegetation, dichter Dschungel unterbrochen von Ebenen welche Blicke bis zum Horizont eröffnen. Die Gegend ist sehr dünn besiedelt und nur selten kommen wir durch ein Dorf. Nach weiteren 100 Kilometern Erdbebensimulation auf chinesischem Straßenneuland unterwegs. Ein Anhalter den wir mitnehmen ist so begeistert von der Ebenheit der neuen Straße und dem neuen Fahrgefühl, dass er eine Stunde lang alle fünf Minuten euphorisch anfängt die Straße zu loben und dabei gefährlich mit den Armen beschreibt wie es vorher war.

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